Die Schwandorfer Felsenkeller
- Bayerns größtes Felsenkeller-Labyrinth
In Schwandorf lohnt ein Blick tief unter die Erdoberfläche, denn hier erwartet die Gäste eine besondere, bayernweit einzigartige bauhistorische Sehenswürdigkeit: Bayerns größtes Felsenkeller-Labyrinth
Weit über 130 bis zu 500 Jahre alte Felsenkeller zeugen von einem ehemals blühenden Braugewerbe im Ort. Ursprünglich wurden sie als Gär- und Lagerkeller für Bier errichtet, erlebten aber dann eine wechselvolle Geschichte als „Kühlschränke“ des täglichen Bedarfs bevor diese weitverzweigten unterirdischen Räume im zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker dienten und Tausenden von Menschen das Leben retteten.
Das geheimnisvolle Labyrinth, ein sanierter, unterirdisch zusammenhängender Bereich von mehr als 60 Räumen, kann heute im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Dabei gehen die Schwandorfer Gästeführer:innen vor allem auch auf die Geschichte der „Kellerdiebe“ ein, die in den Jahren 1931/32 ihr Unwesen in der Schwandorfer Unterwelt trieben.
Erfahren Sie mehr über die Geschichte der Schwandorfer Unterwelt
Der Ursprung der Felsenkeller
Ursprung
Beginn des Felsenkellerbaus
Im Schwandorfer Holz- und Weinberg befinden sich über 130 von Menschenhand in den Dogger-Sandstein gehauene Felsenkellerräume, die sich, nebeneinander oder in Etagen übereinander liegend, von Nord nach Süd über annähernd einen Kilometer erstrecken. Anhand der vorliegenden schriftlichen Quellen, Baudetails und archäologischen Funde sowie speziell der Geschichte des Brauwesens in der Stadt, läßt sich aus guten Gründen eine Entstehungszeit der ersten Felsenkeller im letzten Viertel des 15. oder zu Anfang des 16. Jahrhunderts, also ungefähr um 1500.
Zweck des Felsenkellerbaus
Der Anlaß ihrer Erbauung ist dabei in der Umstellung des Biererzeugungsverfahrens in dieser Zeit zu suchen. Anfangs zwar zögerlich, begann man doch schrittweise von der oberen, warmen auf die untere, kalte Gärung überzugehen und erzielte damit ein süffigeres, vor allem aber länger lagerfähiges Getränk. Die Temperatur durfte bei diesem innovativen Gärprozess 10 Grad Celsius nicht überschreiten. Bedingungen also, die die tiefen Felsenkeller mit 8 Grad Celsius noch heute bieten und die, wie sich im Brauexperiment zeigte, immer noch einen einwandfreien Gärvorgang ermöglichen.
Ein Schwandorfer Bierrezept von 1549 beweist, dass die hiesigen Brauer diese Neuerung schon früh übernahmen und dazu die notwendigen, bereits 1521 urkundlich erwähnten Keller errichten ließen.
Bier war in früherer Zeit nicht nur durststillendes Getränk, sondern wesentlicher Bestandteil der täglichen Nahrung speziell der unteren Schichten. Selbst 1844 noch berichtet ein Visitationsprotokoll, dass der ärmere Teil der Schwandorfer Bevölkerung, darunter die Taglöhner, "sich größtenteils im Sommer mit der Nahrung in einer Maaß Bier und einem Stück Brot bestehend, begnügen müssen".
Das Schwandorfer Braugewerbe
Kommunbraugewerbe
Wie im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit in der gesamten Oberpfalz, Teilen Frankens und Niederbayerns (Bayerischer Wald) gebräuchlich, lag das von der Obrigkeit konzedierte Recht der Bierproduktion in den Händen der Klöster, Hofmarksherren und vor allem der Kommunbrauer. Voraussetzung für die Genehmigung an letztere allerdings war das Bürgerrecht, verbunden mit Grundbesitz und Gewerbebetrieb in der jeweiligen Gemeinde.
In Schwandorf standen die kommunalen Brauhäuser und Mulzen an der Naab. Dort bereiteten die Brauer ihren Sud und gaben ihn anschließend zur Gärung und Lagerung in die Felsenkeller. War das Bier dann trinkreif, erfolgte der Ausschank in einer festgelegten Reihenfolge. Der Kommunbrauer rüstete die "gute Stube" zuhause zur Schenke um und brachte zum Zeichen für frisches Bier einen Zeigl (Zoigl, Zeugl) oder Buschen am Anwesen an. Sobald seine Biervorräte aufgebraucht waren, kam die Reihe an den nächsten Braugenossen, bis schließlich jeder von ihnen einmal den "Schankwirt" gestellt hatte und sich das Spiel von Neuem wiederholte.
Kommunbraugewerbe als bedeutender Wirtschaftsfaktor der Stadt
Bald wuchs das Kommunbraugewerbe in Schwandorf zu einem ansehnlichen Wirtschaftsfaktor. Mußten die Bürger von der Mitte des 15. bis in die 20er Jahre des 16. Jahrhunderts noch Bier von außerhalb zukaufen, so konnten sie schon 40 Jahre später in die umliegenden Ortschaften und Städte, so z. B. nach Regensburg und Nabburg, "exportieren". In der Beschreibung des Pfleg- und Fischmeisteramtes Schwandorf durch Christoph Vogel aus dem Jahr 1600, wird das Brauwesen neben der Landwirtschaft und der Fischerei als wichtigste Einnahmequelle der Stadt und ihrer (Kommunbrau-)Bürger bezeichnet. Auf der zugehörigen Landkarte sind die Felsenkeller als topographisches Charakteristikum in einer kleinen Kartusche bei der Stadt vermerkt. Das wiederum zeigt, daß ihre Anzahl bereits bedeutend genug war, um hier eine ausdrückliche Erwähnung zu finden. Dieser allgemeine wirtschaftliche Aufschwung wurde lediglich durch den 30jährigen Krieg unterbrochen, in dessen Verlauf nicht nur die Bierherstellung stockte, sondern auch der hiesige Weinanbau endgültig zum Erliegen kam.
Erst zu Ende des 17. Jahrhunderts erholte sich die Stadt von den verheerenden Kriegsfolgen und das Brauwesen kam wieder in Schwung. Der Bau des Kapuzinerklosters und die beginnende Wallfahrt auf den Kreuzberg sowie die Einrichtung des Thurn-und-Taxis'schen Postdienstes verstärkten die seit vorgeschichtlichen Zeiten bestimmende Rolle der Stadt als Drehscheibe für den Handelsverkehr. Dies verhalf Schwandorf zu neuer wirtschaftlicher Prosperität mit dementsprechender Auswirkung auch auf den Bierkonsum und damit den Felsenkellerbau. Eine Grund- und Steuerbeschreibung von 1727 nennt bereits 68 Felsenkellerbesitzer. Diese hatten nach Ausweis der Stadtkammerrechnungen an das Gemeinwesen Kellerzinsen zu zahlen, da die Keller inner- und ausserhalb der Wehrmauern unter kommunalem Grund errichtet worden waren.
Die große Bauphase der Felsenkeller
Verkauf der Kommunbrauhäuser
Im Jahr 1807 jedoch wurde für ganz Bayern der Verkauf der Kommunbrauhäuser, deren Unterhaltskosten die Gemeindesäckel nicht wenig belasteten, angeordnet. So erfolgte schließlich 1812 auch in Schwandorf die Veräußerung der städtischen Brauhäuser und Mulzen auf Anordnung des königlichen Landgerichts Burglengenfeld. 83 Bürger unterschrieben den Vertrag und fortan war das Braurecht unabdingbar mit dem Erwerb eines Anteilscheins an dieser Braugesellschaft verbunden.
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Werner Robold © Stadt Schwandorf
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Peter Hofmann © Stadt Schwandorf
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Hans-Werner Robold © Stadt Schwandorf
Kellervisitationen
Allgemein hatte das Schwandorfer Bier bei den Zeitgenossen, nicht zuletzt wegen der "trefflichen Felsenkeller", einen guten Ruf. Doch geschah es nicht selten, daß manch ein Brauer aus den für einen Sud vorgeschriebenen Scheffeln Malz und Hopfen mehr Bier herstellte als zulässig war und damit die Stammwürze unterschritt. Ebenso war dem Geschmack und der Bekömmlichkeit des Gerstensaftes die Verwendung von Naabwasser für den Brausud nicht sonderlich zuträglich und so mancher Wirt setzte dem eins obendrauf, indem er das Gebräu noch zusätzlich streckte. Jedenfalls kam es im Jahr 1840 vermehrt zu Klagen über die sich verschlechternde Qualität des in Schwandorf erzeugten Biers.
Das königliche Landgericht sah sich schließlich veranlaßt, jährliche Bier- und Kellervisitationen durch die bestallten Bierkieser (Bierprüfer) vornehmen zu lassen. Die für die Kellergeschichte und das Kommunbrauwesen äußerst aufschlußreichen Protokolle sind erhalten. Die zweite Niederschrift aus dem Jahr 1843 nennt sämtliche 79 zu der Zeit brauberechtigten Bürger mit Namen und beschreibt Umfang, Art und Ausstattung ihrer häuslichen Schanklokale sowie die Größe der Lagerfässer in den Felsenkellern. Von besonderem Interesse aber ist die Angabe der Anzahl und Ausmaße der Gärgewölbe und Felsenkeller der jeweils das Schankrecht ausübenden Kommunbrauer. Wiederholt wird auch auf die frühere landgerichtliche Anordnung hingewiesen, dass in den als Gärräumen benutzten Felsenkellern keine landwirtschaftlichen Früchte aufbewahrt werden dürfen.
Aufschwung des Braugewerbes und damit des Kellerbaus
Der Aufschwung des Braugewerbes und des Kellerbaus
Die bedeutende Zunahme des Verkehrs in Schwandorf (1859 und 1861 Anschluß an das Streckennetz der Eisenbahn; erste Ansiedlung von Industrie) und das Unvermögen der Kommunbrauerei, den stark gestiegenen Bierbedarf zu befriedigen, führte schließlich dazu, dass in den Jahren 1857 und 1858 die Kommunbrauer Fischer, Hubmann und Schmidt um die Erlaubnis zur Gründung von Privatbrauereien nachsuchten. In der Folgezeit vergrößerten sie ihre Felsenkeller zu ausgedehnten Systemen, die die gewaltigen Sudkontingente zur Gärung und Lagerung aufnahmen. Noch konnten die Kommunbrauer neben dieser Konkurrenz bestehen und auch sie errichteten zahlreiche neue bzw. erweiterten vorhandene Keller. Ein Vergleich der Protokolle über die in den örtlichen Felsenkellern gelagerten Mengen an Sommerbier, bringt interessante Erkenntnisse und bestätigt den stark gestiegenen Bierausstoß in dieser Zeit. Befanden sich - ohne die Vorräte der Schloßbrauerei Fronberg und der 1972 eingemeindeten Orte - im Jahr 1855 insgesamt 3629,5 Eimer (etwa 235.917 l) in den Kellern der Stadt, so waren es 1861 bereits 11.321 Eimer (etwa 735.865 l), ein Anstieg um mehr als das dreifache also.
Das Ende des Kommunbrauwesens
Bestrebungen der Regierung im Jahr 1901, das althergebrachte Braurecht aufzuheben, führten zu Beschwerden der Betroffenen und einer Welle des Protests unter der Schwandorfer Bevölkerung. Zu dieser Zeit allerdings, übten nur noch 33 Bürger ihre Brautätigkeit tatsächlich aus. Beinahe vollends zum Erliegen kam das Kommunbrauwesen dann bei Ausbruch des 1. Weltkriegs, da viele Männer an der Front standen, die Äcker zu Hause teils unbestellt blieben und deshalb allenthalben Mangel an Gerste und Hopfen, den Rohstoffen zur Biererzeugung herrschte.
Einen weiteren Rückschlag bedeutete 1922 die Einstellung des Braubetriebs durch 12 Kommunbrauer, die ihren "Braurechtsfuß" mit Genehmigung des Stadtrats auf die großen Bierproduzenten Schmidt und Hubmann übertrugen. Der letzte Kommunbraumeister, Simon Dischler, verstarb 1925. Zehn Jahre später verkaufte die Gesellschaft ihren Besitz an die Stadt. Die Privatbrauereien errichteten indessen moderne Gäranlagen und Kühlhäuser, sodaß nun sowohl deren Felsenkeller, als auch die der Kommunbrauer nur noch sekundären Lagerungszwecken dienten.
Die Schwandorfer Kellerdiebe
Kellerdiebe
Jetzt wurden vermehrt landwirtschaftliche Produkte, wie Kartoffeln, Rüben und dergleichen deponiert. Ebenso fanden die Keller als "Kühlschränke" für Lebensmittel des täglichen Bedarfs - wie schon in früheren Zeiten praktiziert - weiterhin Verwendung. Eine wirtschaftliche Nutzung erfuhren einige Keller durch die Lagerung von Spirituosen, Kaffee sowie Fleisch und Wurstwaren des hiesigen Metzgerhandwerks. Dieses reichhaltige "Angebot" rief schließlich 1931/32 die sog. "Kellerdiebe" auf den Plan.
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Gerhard Götz © Stadt Schwandorf
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Werner Robold © Stadt Schwandorf
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Karin Mager © Stadt Schwandorf
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Karin Mager © Stadt Schwandorf
Auf ihren Raubzügen, die zumeist vor großen Festtagen stattfanden, durchbrachen sie Abmauerungen und natürliche Felswände und verbanden dadurch voneinander unabhängige Systeme. Man könnte sie somit als die "Ur-Schöpfer" des sog. "Labyrinths", eines zusammenhängenden Komplexes aus etwa 60 Kellerräumen, sehen.
Die Rolle der Felsenkeller im 2. Weltkrieg
2. Weltkrieg
Luftschutzausbau
Hatten die Felsenkeller in der Vergangenheit enorme Bedeutung und Anteil am steten wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt, so sollten sie sich nun bald in einer anderen Funktion bewähren. Bereits in den Jahren 1943 und 1944 wurden große Bereiche zu Luftschutzbunkern umgerüstet. Sie erhielten Gurtbögen zur Verbesserung der Deckenstatik, Abmauerungen, Fluchtstollen sowie Telefon- und Lichtleitungen.Ebenso trug man sich mit dem Gedanken an eine unterirdische Verlagerung von Industrien. Vor allem aber der Keller der Brauerei Hubmann, nachmals "4000-Bunker" genannt, sollte bei potentiellen Luftangriffen der Bevölkerung Zuflucht gewähren. Hier wurde auch die Befehlsstelle des damaligen kommissarischen Bürgermeisters eingerichtet.
Die Bombennacht zum 17. April 1945
Es zeigte sich sehr bald, daß man mit dieser Voraussicht gut gehandelt hatte. Schon oft war die Bevölkerung bei Fliegeralarm in die jeweils erreichbaren nächstliegenden Keller geflüchtet, ohne daß eine Bombardierung nachfolgte. Doch in der Nacht zum 17. April 1945 wurde es blutiger Ernst, als ein britisch-kanadisches Geschwader morgens um 3.52 Uhr den größten Teil der Stadt binnen weniger Minuten in Schutt und Asche bombte und etwa 4000 Tote, darunter 1250 Schwandorfer zurückließ.
Über 6000 Menschen suchten Zuflucht in den Felsenkellern, allein im Hubmann-System hielten sich 4000 Flüchtende in drangvoller Enge über viele Tage hinweg unter unerträglichen hygienischen Bedingungen auf. Die langen, schlauchartigen Keller in der Waldgasse hingegen wurden als Lazaretträume genutzt. Sogar die Zugangstreppen waren mit Verwundeten überfüllt.
Die Felsenkeller in der Nachkriegszeit
Nachkriegszeit
So bedeutend und lebensrettend die Rolle der Felsenkeller als Luftschutzbunker für viele tausend Menschen gegen Ende des 2. Weltkriegs auch war, hinterließen diese Ereignisse doch bei den Betroffenen traumatische Erinnerungen und viele wagten erst wieder in heutiger Zeit einen Besuch in den unterirdischen Räumen. Desweiteren schränkte eine Verbruchsphase in hangnahen Bereichen in den Jahren 1950 - 1970 jede potentielle wirtschaftliche Nutzung ein oder verhinderte sie sogar. In der Regel wurden nur noch die unter dem jeweils eigenen Gebäude liegenden Felsenkeller für eine Lagerung jedweder Art verwendet. Die etwa 60 Räume im Bereich des sog. "Labyrinths" aber blieben weitgehend sich selbst überlassen und wurden in der Nachkriegszeit in großem Ausmaß mit Bauschutt, Beton, Sand, Schrott und Müll verfüllt.
Ausblick in die Zukunft
Die historischen, inzwischen denkmalgeschützten Felsenkeller können jedoch sowohl durch ihre Anzahl, als auch ihre Ausdehnung und komplexe Anlage überregionale Einzigartigkeit beanspruchen und müssen zudem als noch existentes bauliches Charakteristikum des einst blühenden und wirtschaftlich bedeutenden Braugewerbes in Schwandorf gelten.
Die Topographie der Kellerregion
Die Schwandorfer Felsenkeller liegen von Nord nach Süd:
an der Fronberger Straße
an der Waldgasse
an der Spitzwegstraße
an der Weinbergstraße
an der Schießstättengasse
Des weiteren finden sich Felsenkeller auch noch in den eingemeindeten Orten:
Haselbach
Neukirchen
Naabeck
Fronberg